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Ganz normale Leute – die Einen und auch die Anderen

Eine Erzählung von Heidemarie Meyer, vorgetragen am 17. März 2024 in Stollberg im Rahmen der Demonstration „Nie wieder ist jetzt! Für Demokratie und Menschlichkeit“.

„Na – wie machen sich denn eure Ukrainer?“- fragen die Einen
„Wie geht es denn eurer ukrainischen Familie?“ – fragen die Anderen vorsichtig an

Unsere Ukrainer das sind ganz normale Leute:

  • Großmutter Antonina 86
  • Oma Irina so alt wie ich
  • Mama Natascha, Anfang vierzig, was die sagt wird gemacht
  • Alissa, die große Tochter, 19 Jahre, ein ernstes blasses Mädchen
  • Dascha, die kleine Schwester, 17, ein Lockenkopf
  • mit ihrem Freund Timur – der ist gerade 18 geworden
  • und Lisa die Katz(e)

„Wegen den ihren Krieg geht bei uns alles den Bach runter!“ – meinen die Einen
„Die halten vielleicht auch für uns den Kopf mit hin!“ – meinen die Anderen

„Du musst Ukraine im Pass stehen haben, dann kriegst du alles umsonst.“ – sagen die Einen
„Die können einem leid tun, von heute auf morgen alles verloren.“ – sagen die Anderen

„Na, ein Handy haben sie alle und immer das Neueste!“ – sagen die Einen
„Können wir irgendwie helfen? Wir hätten noch ne Waschmaschine“ – sagen die Anderen

„Ganz schön aufgedackelt denen ihre Weiber.“ finden die Einen
„Wirklich hübsche Mädels!“– finden die Anderen

„Der Kerl müßte doch eigentlich auch beim Militär sein.“ – denken die Einen
„Ein Glück, dass der Junge noch rausgekommen ist.“ – denken die Anderen

  • Und unsere Ukrainer, was sagen die dazu?
  • „Miau „ – macht Lisa die Katz‘
  • „Aufenthaltsbescheinigung, schweres Wort!“ – findet Timur
  • „Ich bin glücklich zusammen mit Timur.“ – sagt die verliebte Dascha
  • und die blasse Alissa meint: „ Ich lerne für meine Heimat!“
  • Mama Natascha denkt bei day und bei night an ihren husband
  • Oma Irina sagt: „Nasch Dom kaputt – aber wir leben!“

Und du Großmutter Antonina – was sagst du?

Antonia sagt nichts.
Sie lächelt verlegen und weint.
Sie denkt an zu Hause, an Ruski Tyschki – ihr Dorf weit im Osten der Ukraine

RUSKI TYSCHKI

Ein Haus, ein Garten, ein schimmernder Teich
Sommer in Ruski Tyschky
Schwarze Erde, duftend und reich
Zu Hause in Ruski Tyschky

Der Apfelbaum neigt seinen schweren Ast
Sommer in Ruski Tyschky
Auch Birnen und Pflaumen – köstliche Last
Zu Hause in Ruski Tyschky

Hähnchen, schön Hühnchen – seid ihr noch da?
Zu Hause in Ruski Tyschky
Drei Federn erzählen, was hier geschah
Sommer in Ruski Tyschky

Zerborstene Fenster, kein Mensch weit und breit
Zu Hause in Ruski Tyschky
Im Wind flattern Fetzen, Gardinen, ein Kleid
Sommer in Ruski Tyschky

Sag Antonína, ist Deutschland nicht schön?
Viel schöner als Ruski Tyschky?
„Ich bin tränenblind, will Deutschland nicht sehn.“
Mein Herz wohnt in Ruski Tyschky.

„Unsere Ukrainer“ das sind ganz normale Leute – so wie die Einen und die Anderen!

(Heidemarie Meyer)